www.slbremen-ev.de > Persönliches Budget
.

Persönliches Budget

Autor: Winkelmeier 02.02.2011

Um gleich ein weitverbreitetes Missverständnis auszuräumen: das Persönliche Budget ist keine neue, zusätzliche Sozialleistung, sondern eine alternative Möglichkeit, wie behinderte Menschen bestimmte Sozialleistungen abrufen und in Anspruch nehmen können. Die zentralen Rechtsnormen für das Persönliche Budget sind § 17 Abs.2 bis 4 SGB IX sowie die sogenannte Budgetverordnung. Im Folgenden stellen wir kurz Hintergrund und Idee des Persönlichen Budgets, seine möglichen Vor- und Nachteile sowie die bisherigen Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung in Bremen dar.

 

Das Übliche: Die Sachleistung

Viele behinderte Menschen bekommen Sozialleistungen, um besser mit ihrer Beeinträchtigung leben zu können. Oft handelt es sich dabei um sogenannte Leistungen zur Teilhabe. Diese bekommen sie meistens als sogenannte Sachleistungen, d.h. der jeweilige Sozialleistungsträger (z.B. das Sozialamt, die Agentur für Arbeit oder die Krankenkasse) gibt dem behinderten Mensch das Recht, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, schreibt ihm aber auch mehr oder weniger eng vor, wo er sich dieses Produkt oder diese Dienstleistung beschaffen darf und wo nicht. Der Sozialleistungsträger rechnet dann direkt mit dem Dienstleister ab, wovon der behinderte Mensch oft überhaupt nichts mitbekommt. Beispiele für solche Sachleistungen sind die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, die Unterstützung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder die Unterbringung in einem Wohnheim.

Dieses Sachleistungssystem wurde und wird immer wieder kritisiert: Viele behinderte Menschen fühlen sich dadurch bevormundet und daran gehindert, sich die Dinge und Unterstützung zu besorgen, die sie wirklich brauchen.

 

Das (fast) Neue: Das Persönliche Budget

Als Reaktion auf diese Kritik wurde vor etwa zehn Jahren damit begonnen, das Persönliche Budget in Modellprojekten zu erproben, und wenig später wurde es auch gesetzlich geregelt. Doch erst seit dem 1. Januar 2008 hat jeder behinderte Mensch einen Rechtsanspruch darauf, dass er wählen kann, ob er Leistungen zur Teilhabe weiterhin als Sachleistung oder als Persönliches Budget erhält. Diese Wahlmöglichkeit besteht - mit Einschränkungen - auch für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit.

Entscheidet man sich für das Persönliche Budget, dann bekommt man einen Geldbetrag zur Verfü-gung gestellt, mit dem man sich die benötigte Leistung – z.B. Begleitung zu bestimmten Freizeitaktivitäten – selbst beschaffen kann.

Wenn jemand Teilhabeleistungen von verschiedenen Sozialleistungsträgern bekommt, kann er diese Leistungen auch zu einem trägerübergreifenden Budget zusammenfassen.

 

Was zunächst so einfach klingt, ist es aber in der Praxis oft nicht. Um sicherzustellen, dass das Budget auch tatsächlich zweckbestimmt verwendet wird, sind einige Bedingungen einzuhalten. Teilweise sind diese vom Gesetz vorgegeben; teilweise werden sie ganz individuell zwischen dem behinderten Menschen und dem Sozialleistungsträger verabredet und in einer Zielvereinbarung festgehalten. Der Abschluss einer Zielvereinbarung ist zwingende Voraussetzung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets.

 

Mehr Selbstbestimmung, aber auch mehr Verantwortung

Das Persönliche Budget kann mehr Flexibilität und Selbstbestimmung bedeuten, es bedeutet für den behinderten Menschen in der Regel aber auch mehr Eigenverantwortung und einen Verwaltungsaufwand, der manchmal beträchtlich sein kann. Damit ist vor allem dann zu rechnen, wenn man mit dem Budget keine Dienste, sondern Einzelpersonen bezahlt. Dadurch können Arbeitsverhältnisse entstehen, die sozialabgaben- und lohnsteuerpflichtig sind.

Damit niemand durch diesen Aufwand gehindert wird, Budgetnehmer/in zu werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, aus dem Budget auch eine so genannte Budgetassistenz zu bezahlen, die einen bei der ordnungsgemäßen Abwicklung des Budgets unterstützt. Dabei ist zu beachten, dass im Normalfall die Höhe des persönlichen Budgets die Ausgaben für die vergleichbare Sachleistung nicht überschreiten soll.

 

Erfahrungen mit dem Persönlichen Budget in Bremen

Der Rechtsanspruch, bestimmte Leistungen auch als Persönliches Budget zu bekommen, gilt ab dem 1. Januar 2008. Das Land Bremen und seine Stadtgemeinden haben darauf reagiert:

Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales erließ eine Rahmenrichtlinie und eine Fachliche Weisung zum Persönlichen Budget, letztere gilt nur für die Sozialzentren in Bremen. Die Rahmenrichtlinie und die fachliche Weisung sind derzeit in Überarbeitung.

In jedem Bremer Sozialzentrum wurde ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin besonders geschult, um Anträge auf Persönliches Budget besonders kompetent bearbeiten zu können. Und in 2009 wurde ein Modellprojekt durchgeführt, in dessen Rahmen sich behinderte Menschen von unabhängigen Beratungsstellen intensiv zum Persönlichen Budget beraten und bei der Antragstellung unterstützen lassen konnten. Eine dieser Beratungsstellen war SelbstBestimmt Leben.

 

Doch dem getriebenen Aufwand steht bislang nur wenig Erfolg gegenüber - zumindest, wenn man den an der Zahl der in Bremen bewilligten Persönlichen Budgets misst. Woran liegt das?

Ausgehend von unseren Beratungserfahrungen lassen sich vor allem drei Gründe erkennen, die aber miteinander verknüpft sind:

 

1. Das Persönliche Budget bringt mehr Selbstbestimmung, aber auch mehr Arbeit und Übernahme von Verantwortung mit sich. Das fängt mit der Antragstellung an und setzt sich während der Budgetnutzung fort. Dazu die Unsicherheit, nicht genau zu wissen, was da möglicherweise alles auf einen zukommt. Da erscheint die "fremdbestimmtere" Sachleistung vielen doch attraktiver. Und das, obwohl wir in den Beratungen vorsichtig versuchen dagegenzuhalten, indem wir unsere Unterstützung bei der Antragsstellung und  für die Anfangsphase der Budgetnutzung anbieten. Und auch nach dieser Anfangsphase gibt es die Möglichkeit, sich durch versschiedene Formen der Budgetassistenz bei der Nutzung und Verwaltung des Budgets zu lassen (siehe oben).

 

2. Denen, die doch einen Antrag beim Amt für Soziale Dienste stellten, wurde es anfangs - trotz der geschulten BudgetexpertINNen - in der Regel überraschend schwer gemacht. Dazu trug die Unerfahrenheit der MitarbeiterINNen in den jeweiligen Sozialzentren bei. Inzwischen ist aber etwas mehr Normalität eingekehrt.

 

3. Auch die oben erwähnte Fachliche Weisung hat Probleme mit sich gebracht. Von Anfang an war von verschiedener Seite kritisiert worden, dass diese Weisung dazu führe, dass grundsätzlich zu niedrige Budgets bewilligt werden. Zumindest im Bereich der ISB (Individuellen Schwerstbehindertenbegleitung) bewahrheitete sich diese Befürchtung, und es waren langwierige Anstrengungen auf unterschiedlicher Ebene notwendig, bis hier entsprechend nachgebessert wurde. Leider ist auch diese Nachbesserung im Grunde schon nachbesserungswürdig.

 

Trotz dieser widrigen Umstände sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass Persönliche Budgets auch in Bremen eine Zukunft haben. Sie werden hier zwar auf absehbare Zeit wohl den Status des Exotischen behalten. Aber bereits die wenigen Budgets, die in Bremen bewilligt wurden und jetzt genutzt werden, haben den Budgetnehmer/innen, die wir kennen, ein Mehr an Selbstbestimmung und Lebensqualität gebracht, auf das sie nicht mehr verzichten wollen.

 

Unser Beratungsangebot zum Persönlichen Budget:

Wir helfen bei der Entwicklung einer Budgetidee, der Antragstellung und der Formulierung der Budgetvereinbarung. Wir geben Tipps für die Nutzung und Verwaltung des Perönlichen Budgets und sind auch dann noch da, wenn das Budget schon eine Weile genutzt wird und unerwartet neue Probleme auftauchen.

Dieser Artikel wurde bereits 14193 mal angesehen.

Powered by Papoo 2016
489127 Besucher