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Das Persönliche Budget

Autor: Winkelmeier 16.10.2017

Neue Bestimmungen für das Persönliche Budget seit dem 1.1.2018

Die zentralen Rechtsnormen für das Persönliche Budget waren bis zum 31.12.2017 § 17 Abs.2 bis 4 SGB IX sowie die sogenannte Budgetverordnung.

Am 1.1.2018 trat die zweite Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft. Betroffen ist davon besonders das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe vom Menschen mit Behinderungen. Das SGB IX wurde völlig überarbeitet. Das gilt auch für die Bestimmungen zum Persönlichen Budget. Die ab 2018 gültigen Regelungen zum Persönlichen Budget finden sich nun im § 29 SGB IX, unter anderem eine Reihe von Bestimmungen, die bislang genauso oder ähnlich in der Budgetverordnung geregelt waren. Gleichzeitig trat die bisher gültige Budgetverordnung außer Kraft.

Die Regelungen des neuen § 29 SGB IX entsprechen im Wesentlichen den bis Ende 2017 gültigen § 17 SGB IX und der (alten) Budgetverordnung. Allerdings gibt es ein paar wenige Veränderungen, deren tatsächliche Bedeutsamkeit sich erst noch in der Praxis zeigen muss.

 

Das Übliche: Die Sachleistung

Das Persönliche Budget ist keine zusätzliche Sozialleistung, sondern eine alternative Möglichkeit, wie behinderte Menschen bestimmte Sozialleistungen abrufen und in Anspruch nehmen können.

Viele behinderte Menschen bekommen Sozialleistungen, um besser mit ihrer Beeinträchtigung leben zu können. Oft handelt es sich dabei um sogenannte Leistungen zur Teilhabe. Diese bekommen sie meistens als sogenannte Sachleistungen, d.h. der jeweilige Sozialleistungsträger (z.B. das Sozialamt, die Agentur für Arbeit oder die Krankenkasse) gibt dem behinderten Mensch das Recht, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, schreibt ihm aber auch mehr oder weniger eng vor, wo er sich dieses Produkt oder diese Dienstleistung beschaffen darf und wo nicht. Der Sozialleistungsträger rechnet dann direkt mit dem Dienstleister ab, wovon der behinderte Mensch oft überhaupt nichts mitbekommt. Beispiele für solche Sachleistungen sind die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, die Unterstützung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder die Unterbringung in einem Wohnheim.

Dieses Sachleistungssystem wurde und wird immer wieder kritisiert: Viele behinderte Menschen fühlen sich dadurch bevormundet und daran gehindert, sich die Dinge und Unterstützung zu besorgen, die sie wirklich brauchen.

 

Das Andere: Das Persönliche Budget

Als Reaktion auf diese Kritik wurde ab den Neunzigern des letzten Jahrhunderts damit begonnen, das Persönliche Budget in Modellprojekten zu erproben, und wenig später wurde es auch gesetzlich geregelt. Doch erst seit dem 1. Januar 2008 hat jeder behinderte Mensch einen Rechtsanspruch darauf, dass er wählen kann, ob er Leistungen zur Teilhabe weiterhin als Sachleistung oder als Persönliches Budget erhält. Diese Wahlmöglichkeit besteht - mit Einschränkungen - auch für Leistungen bei Pflegebedürftigkeit.

Entscheidet man sich für das Persönliche Budget, dann bekommt man einen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, mit dem man sich die benötigte Leistung – z.B. Begleitung zu bestimmten Freizeitaktivitäten – selbst beschaffen kann.

Wenn jemand Teilhabeleistungen von verschiedenen Sozialleistungsträgern bekommt, kann er diese Leistungen auch zu einem trägerübergreifenden Budget zusammenfassen.

 

Was zunächst so einfach klingt, ist es aber in der Praxis oft nicht. Um sicherzustellen, dass das Budget auch tatsächlich zweckbestimmt verwendet wird, sind einige Bedingungen einzuhalten. Teilweise sind diese vom Gesetz vorgegeben; teilweise werden sie ganz individuell zwischen dem behinderten Menschen und dem Sozialleistungsträger verabredet und in einer Zielvereinbarung festgehalten. Der Abschluss einer Zielvereinbarung ist zwingende Voraussetzung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets.

 

Mehr Selbstbestimmung, aber auch mehr Verantwortung

Das Persönliche Budget kann mehr Flexibilität und Selbstbestimmung bedeuten, es bedeutet für den behinderten Menschen in der Regel aber auch mehr Eigenverantwortung und einen Verwaltungsaufwand, der manchmal beträchtlich sein kann. Damit ist vor allem dann zu rechnen, wenn man mit dem Budget keine Dienste, sondern Einzelpersonen bezahlt. Dadurch können Arbeitsverhältnisse entstehen, die sozialabgaben- und lohnsteuerpflichtig sind.

Damit niemand durch diesen Aufwand gehindert wird, Budgetnehmer/in zu werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, aus dem Budget auch eine so genannte Budgetassistenz zu bezahlen, die einen bei der ordnungsgemäßen Abwicklung des Budgets unterstützt. Dabei ist zu beachten, dass im Normalfall die Höhe des persönlichen Budgets die Ausgaben für die vergleichbare Sachleistung nicht überschreiten soll.

 

Erfahrungen mit dem Persönlichen Budget in Bremen

Der Rechtsanspruch, bestimmte Leistungen auch als Persönliches Budget zu bekommen, gilt ab dem 1. Januar 2008. Das Land Bremen und seine Stadtgemeinden hatten sofort darauf reagiert:

Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales erließ eine Rahmenrichtlinie und eine Fachliche Weisung zum Persönlichen Budget, letztere gilt nur für die Sozialzentren in Bremen.

 

Auch wenn die Einführung des Persönlichen Budgets von seiten vieler behinderter Menschen mit hohen Erwartungen verknüpft war, sind in Bremen - auch nach 2008 -  nur vergleichsweise wenige Persönliche Budgets zustande gekommen. Ausgehend von unseren Beratungserfahrungen lassen sich vor allem drei Gründe erkennen, die aber miteinander verknüpft sind:

 

1. Das Persönliche Budget bringt mehr Selbstbestimmung, aber auch mehr Arbeit und Übernahme von Verantwortung mit sich. Das fängt mit der Antragstellung an und setzt sich während der Budgetnutzung fort. Dazu die Unsicherheit, nicht genau zu wissen, was da möglicherweise alles auf einen zukommt. Da erscheint die "fremdbestimmtere" Sachleistung vielen doch attraktiver. Und das, obwohl wir in den Beratungen vorsichtig versuchen, dagegenzuhalten, indem wir unsere Unterstützung bei der Antragsstellung und  für die Anfangsphase der Budgetnutzung anbieten. Und auch nach dieser Anfangsphase gibt es die Möglichkeit, sich durch verschiedene Formen der Budgetassistenz bei der Nutzung und Verwaltung des Budgets helfen zu lassen (siehe oben).

 

2. Denen, die doch einen Antrag beim Amt für Soziale Dienste stellten, wurde es anfangs - trotz der geschulten BudgetexpertINNen in den einzelnen Sozialzentren - in der Regel überraschend schwer gemacht. Dazu trug vielleicht die Unerfahrenheit der MitarbeiterINNen in den jeweiligen Sozialzentren bei. Inzwischen ist etwas mehr Normalität eingekehrt.

 

3. Auch die oben erwähnte Fachliche Weisung hat Probleme mit sich gebracht. Von Anfang an war von verschiedener Seite kritisiert worden, dass diese Weisung dazu führe, dass grundsätzlich zu niedrige Budgets bewilligt werden. Zumindest im Bereich der ISB (Individuellen Schwerstbehindertenbegleitung) bewahrheitete sich diese Befürchtung, und es waren langwierige Anstrengungen auf unterschiedlicher Ebene notwendig, bis hier entsprechend nachgebessert wurde.

 

Trotzdem sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass Persönliche Budgets auch in Bremen eine Zukunft haben. Sie werden hier zwar auf absehbare Zeit wohl den Status des Exotischen behalten. Aber bereits die Budgets, die in Bremen bewilligt wurden und jetzt genutzt werden, haben den Budgetnehmer/innen, die wir kennen, ein Mehr an Selbstbestimmung und Lebensqualität gebracht, auf das sie nicht mehr verzichten wollen.

 

Unser Beratungsangebot zum Persönlichen Budget:

Wir helfen bei der Entwicklung einer Budgetidee, der Antragstellung und der Formulierung der Budgetvereinbarung. Wir geben Tipps für die Nutzung und Verwaltung des Persönlichen Budgets und sind auch dann noch da, wenn das Budget schon eine Weile genutzt wird und unerwartet neue Probleme auftauchen.

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